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Grenzbebauung – Abstandsflächen rund ums Haus

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Das Wohnhaus, die Garage aber auch das Gartenhäuschen oder die Terrassenüberdachung dürfen nicht überall gebaut werden. In vielen Fällen müssen Abstandsflächen eingehalten werden, in anderen Fällen wird die Grenzbebauung genau reglementiert. Was Bauherren – und ihre Nachbarn – dürfen, und was nicht.

Ein typisches ländliches Wohngebiet. Die Häuser sind relativ dicht gebaut, die Abstandsflächen dürften in vielen Fällen dem Mindestabstand entsprechen. Foto: flohjoh / fotolia.com

Das Wichtigste in Kürze:

  • Mindestens 3 Meter Abstand zum Nachbarn – das ist in Deutschland Standard.
  • Unterschreiten Bauwerke diese Abstandsflächen, ist von Grenzbebauung die Rede, die nur in bestimmten Fällen gestattet ist.
  • Die genauen Regelungen stehen in den Landesbauordnungen, dem Nachbarschaftsrecht und in Bebauungsplänen.
  • In vielen Fällen muss der Nachbar seine Zustimmung zur Grenzbebauung geben.

Wer ein Haus bauen will, muss zahlreiche Vorschriften beachten. Einige davon beziehen sich auf die erforderlichen Abstände, die Bauwerke auf einem Grundstück zum Nachbarsgrundstück aufweisen müssen. Die vorgeschriebenen Mindestabstände dienen dazu, den Brandschutz zu gewährleisten und eine gewisse Wohnqualität in Form von Lichteinfall oder Sichtweite zu ermöglichen. Die grundlegenden Regelungen finden sich in den Landesbauordnungen und dem Nachbarschaftsrecht.

Bauordnung: Regeln für Abstandsflächen und zur Grenzbebauung

Die Bundesländer haben eigene Bauordnungen, die sich aber in weiten Teilen ähneln. Sie sehen gewisse Abstandsflächen zwischen Bauwerken vor, die nicht bebaut werden dürfen. So legt das Baurecht Folgendes fest:

  • Die Abstandsfläche eines Gebäudes erstreckt sich über die volle Breite einer Fassade.
  • Der mindestens einzuhaltende Abstand entspricht der Gebäudehöhe, multipliziert mit einem Wert zwischen 0,25 und eins, je nach Bundesland und der Frage, ob sich das Grundstück im Kerngebiet oder am Rand einer Kommune befindet.
  • Der Mindestabstand beträgt in der Regel zweieinhalb bis drei Meter.

Auf dem bayerischen Land wird die Gebäudehöhe mit dem Wert eins multipliziert. Im einfachsten Fall heißt das, dass ein Haus mit Flachdach und einer Höhe von sechs Metern eine Abstandsfläche von ebenfalls sechs Metern über die volle Breite der Fassade benötigt. In Kerngebieten in Hessen beträgt der Faktor lediglich 0,4 und so würden theoretisch 2,40 Meter ausreichen. Doch das Bundesland hat einen Mindestabstand von drei Metern festgelegt.

Diese Abstandsflächen müssen jeweils auf dem eigenen Grundstück liegen. Allerdings gibt es Ausnahmen, wenn das Grundstück an öffentliche Plätze oder Straßen angrenzt, denn diese dürfen bis zu deren Hälfte mit den Abstandsflächen überschattet werden. Sofern der Nachbar zustimmt, dürfen die Abstandsflächen auch auf seinem Grundstück liegen. Das heißt aber, dass der Nachbar auf den betroffenen Flächen nicht mehr bauen darf.

Steile Dachflächen zählen vollständig zur Gebäudehöhe, flachere Dächer nur zu einem Teil. Überschreiten Anbauten gewisse Maße, werden auch sie bei der Berechnung berücksichtigt. Foto: ArTo / fotolia.com

Dachflächen

Dächer mit einem Neigungswinkel von weniger als 70 Grad zählen je nach Bundesland nur zu einem Drittel oder einem Viertel zur maßgeblichen Gebäudehöhe. Dachflächen, die einen Neigungswinkel von mehr als 70 Grad aufweisen, werden in allen Bundesländern voll zur Gebäudehöhe gerechnet.

Balkone, Erker und Gauben

Um die Berechnung der Abstandsflächen nicht zu kompliziert zu gestalten, müssen Sonderbauteile wie Erker oder Balkone nicht extra berechnet werden. Die Regelungen sind in allen Bundesländern ähnlich: einzelne Bauteile, die weniger als 1,50 Meter aus dem Bauwerk herausragen und die sich über weniger als ein Drittel der Fassadenfläche erstrecken, werden bei der Berechnung der Abstandsflächen ignoriert.

Auch für Wärmedämmverbundsysteme gibt es eine Vereinfachung: Sie werden bis zu einer Dicke von 20 oder 25 Zentimetern schlicht ignoriert. Denn ansonsten könnten nachträgliche Dämmmaßnahmen die Abstandsflächen unter das erforderliche Mindestmaß rücken. Das heißt letztendlich dennoch, dass Bauherren, deren Häuser nah an das Nachbargrundstück gebaut sind, unter Umständen durch die Abstandsflächenregelung in der Wahl ihrer Fassadendämmung eingeschränkt sind. Beispielsweise ist nicht in jedem Bundesland und nicht in jedem Fall ein Wärmedämmverbundsystem mit einer Dicke von mehr als 20 Zentimetern erlaubt.

Beispielrechnungen: So wird die Abstandsfläche berechnet

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Die Tiefe der Abstandsfläche (TA) wird errechnet, indem der in der jeweiligen Bauordnung angegebene Faktor (F) mit der Gebäudehöhe multipliziert wird. Die Gebäudehöhe setzt sich aus der Höhe bis zum Dach (H) und der Höhe des Daches selbst (HD) zusammen. Je nach Dachneigung (DN) wird die Dachhöhe allerdings nur zum Teil angerechnet und mit einem Faktor (FD) multipliziert, der ebenfalls der Bauordnung zu entnehmen ist.

Die Formel zur Berechnung lautet also: TA = F * (H + FD * HD)

Beispiel 1: Ein mehrstöckiges Einfamilienhaus in Bayern

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Das Haus ist 5,80 Meter hoch, plus eine Dachhöhe von 3 Metern. Die Dachneigung ist kleiner als 45 Grad und wird nur zu einem Drittel angerechnet. Außerhalb von Kerngebieten ist in Bayern mit dem Faktor 1 zu multiplizieren. Die Formel lautet:

TA = 1 * (5,80m + 1/3 * 3,00m) = 6,80m

Die Abstandsfläche beträgt also mindestens 6,80 Meter. Stünde das Haus in einem Kerngebiet, etwa einem Dorfzentrum, wäre der Faktor lediglich 0,5. Zum Nachbargrundstück müssten dann mindestens 3,40 Meter Abstand gehalten werden.

Beispiel 2: Ein Bungalow in Thüringen

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Der Bungalow ist bis zum Dach 3,20 Meter hoch. Hinzu kommt ein Drittel der Dachhöhe von 1,50 Meter, denn der Dachwinkel ist kleiner als 70 Grad. Der Berechnungsfaktor in Thüringen ist 0,4. Die Berechnungsformel lautet:

TA = 0,4 * (3,20 m + 1/3 * 1,50 m) = 1,48 m

Der Abstand zum Nachbargrundstück müsste nach dieser Berechnung also 1,48 Meter betragen. Allerdings gilt in Thüringen ein Mindestabstand von 3 Metern. In diesem Fall beträgt die Tiefe der Abstandsfläche also 3 Meter.

Das 16-Meter-Privileg

Das 16-Meter-Privileg war früher eine allgemeingültige Regelung, die heute nur noch in Nordrhein-Westfalen und Bayern angewendet wird. Es besagt, dass bei maximal zwei Außenwänden, die weniger als 16 Meter lang sind, nicht die gesamte Gebäudehöhe maßgeblich ist sondern nur die halbe. Doch in den meisten Bauordnungen wird heutzutage ohnehin nur der Faktor 0,4 und nicht mehr der alte Standard 1,0 verwendet.

Die wichtigsten Regeln im bundesweiten Überblick

BundeslandRegelungFaktor zur Errechnung der AbstandsflächeFaktor für Dach- und GiebelflächenMindestabstand laut Bauordnung (in Meter)
Baden-WürttembergLBO § 50,4in Kerngebieten: 0,2> 70 Grad: 1> 45 Grad: 1/32,5 mbei Außenwänden unter 5 m Länger reichen 2 m
BayernBayBO § 61in Kerngebieten: 0,5> 70 Grad: 1< 70 Grad: 1/33 m
BerlinBauO Bln § 60,4> 70 Grad: 1< 70 Grad: 1/33 m
BrandenburgBbgBO § 60,4je nach Gebäudeart weniger möglichkeine AngabenDach wird mit Faktor 1 gerechnet3 m
BremenBremLBO § 60,4je nach Gebäudeart weniger möglich> 70 Grad: 1< 70 Grad: 1/33 mje nach Gebiet 2,5 m möglich
HamburgHBauO § 60,4> 70 Grad: 1< 70 Grad: 1/32,5 m
HessenHBO § 60,4in Sondergebieten 0,2 möglich> 70 Grad: 1> 45 Grad: 1/33 m
Mecklenburg-VorpommernLBau M-V § 60,4> 70 Grad: 1< 70 Grad: 1/33 m
Nieder-sachsenNBauO § 50,5in Sondergebieten 0,25 möglichkeine AngabenDach wird mit Faktor 1 gerechnet3 m
Nordrhein-WestfalenBauO NRW § 60,8in Kerngebieten 0,25 bis 0,5 möglich> 70 Grad: 1> 45 Grad: 1/3Giebel < 70 Grad: 1/33 m
Rheinland-PfalzLBauO § 80,4in Kerngebieten weniger möglich> 70 Grad: 1< 70 Grad: 1/33 m
SaarlandLBO § 70,4in Kerngebieten weniger möglich> 70 Grad: 1> 45 Grad: 1/33 m
SachsenSächsBO § 60,4> 70 Grad: 1< 70 Grad: 1/33 m
Sachsen-AnhaltBauO LSA § 60,4je nach Gebäudeart weniger möglich> 70 Grad: 1< 70 Grad: 1/33 m
Schleswig-HolsteinLBO § 60,4je nach Gebäudeart weniger möglich> 70 Grad: 1> 45 Grad: 0,25Giebel: 0,53 m
ThüringenThürBO § 60,4in Sondergebieten 0,2 möglich> 70 Grad: 1< 70 Grad: 1/33 m

So regelt der Bebauungsplan die Grenzbebauung

Neben der allgemeinen Bauordnung gibt es sehr spezifische Bebauungspläne. Die Regeln, die darin vermerkt sind, sind gewichtiger als die Bauordnung. Das heißt: erlaubt der Bebauungsplan beispielsweise eine Grenzbebauung, sind die Regulierungen zu Abstandsflächen hinfällig. In Stadtkernen gibt es beispielsweise geschlossene Baulinien, die auch bei Neubauten weiterhin eingehalten werden sollen. Während an Baulinien gebaut werden muss, legen Baugrenzen den Bereich fest, innerhalb dessen gebaut werden darf.

Quelle: Stadt Buxtehude

Nähere Infos, welche Informationen im Bebauungsplan stehen und wie dieser gelesen werden muss, gibt’s hier: Bebauungsplan: Was auf einem Grundstück gebaut werden darf.

Neben den Vorgaben durch den Bebauungsplan kann es auch Sonderregelungen und Abweichungen von einzelnen Regeln zu den Abstandsflächen geben. Diese sind beispielsweise in der Bayerischen Bauordnung im Paragraphen 63 geregelt. Die Voraussetzung für solche Ausnahmen: Der Zweck der jeweiligen Anforderung ist erfüllt und die nachbarlichen und öffentlichen Belange werden geschützt, genau wie die Belange der Baukultur oder der Baukunst. Das hat zur Folge, dass bei Sanierungsarbeiten oder Nachverdichtungen unter Umständen Abstandsflächen nicht eingehalten werden müssen. 

Info

Wer gegen die Regeln verstößt, muss gegebenenfalls das Bauwerk oder Anbauten abreißen. In dem Falle, dass ein Grundstückseigentümer mit seinem Bauwerk aus Versehen die nachbarschaftliche Grenze überschreitet, kann dieser Einspruch erheben. Verpasst er dies selbstverschuldet, muss ein Gebäude nicht mehr zurückgebaut werden. Laut § 912 bis 915 BGB hat er allerdings Anspruch auf eine sogenannte Überbaurente, die ihn für den Verlust der Grundstücksfläche entschädigen soll und solange bezahlt werden muss, wie der Überbau Bestand hat. Stattdessen kann der Grundstückseigentümer auch verlangen, dass der Nachbar ihm die entsprechende Grundstücksfläche abkauft.

Abstandsflächen für Garagen, Gartenhaus und Gartenmauern

Garagen und Carports dürfen auf Abstandsflächen gebaut werden – zumindest dann, wenn sie bestimmte Maße nicht überschreiten. Foto: stefanfister / fotolia.com

Abstandsflächen sind für Garagen, Gewächshäuser, ein Gartenhaus, Grenzmarkierungen und dergleichen irrelevant. Zumindest dann, wenn sie bestimmte Maximalmaße nicht überschreiten. Diese sind in Nordrhein-Westfalen beispielsweise:

  • mittlere Wandhöhe von maximal drei Metern
  • maximale Gebäudelänge von neun Metern

Hält ein Gebäude diese Grenzwerte ein, darf es innerhalb der Abstandsflächen gebaut werden. Diese Regeln weichen aber von Bundesland zu Bundesland ab. In Hessen dürfen Garagen direkt an die Grundstücksgrenze gebaut werden und benötigen keine Baugenehmigung, sofern sie innerhalb der Baulinien stehen und eine Grundfläche von maximal 50 Quadratmetern aufweisen. Welche Regelungen im Einzelfall gelten und ob eine Baugenehmigung notwendig ist, erfahren Bauherren in der jeweiligen Landesbauordnung sowie beim zuständigen Bauamt.

So regelt das Nachbarschaftsrecht die Grenzbebauung

Weitere Regelungen rund um die Grenzbebauung sind im Nachbarschaftsrecht festgehalten, das je nach Bundesland stark abweicht:

  • Das Fensterrecht: In manchen Bundesländern benötigen Fenster einen gewissen Mindestabstand zum Nachbargrundstück, selbst wenn sie sich in Bauteilen finden, die bei der Ermittlung der Abstandsflächen ignoriert werden oder wenn sie sich in Bauwerken befinden, die in den Abstandsflächen stehen dürfen.
  • Regelungen zurNachbarwand oder zur Grenzwand: Oftmals muss man bei einer Grenzbebauung die Zustimmung des Nachbarn einholen. Wer direkt an die Grenze baut, muss in vielen Fällen hinnehmen, dass der Nachbar direkt an diese Wand anbaut. Wer dicht an die Grenze baut, muss selbst bei Garagen oder Schuppen gewisse Abstände einhalten, damit die Gebäude nicht durch Staunässe die möglicherweise zwischen zwei benachbarten Gebäuden entsteht, beschädigt werden.
  • Auch die Ausführung von Dachtraufen oder der Umgang mit Abwasser wird im Nachbarschaftsrecht geregelt.
  • Die Art und Weise der Grundstückseinfriedung und wer für diese Aufkommen muss.

Diese Regelungen weichen in den einzelnen Bundesländern teilweise stark voneinander ab. Um im Einzelfall eine genaue Einschätzung zu erhalten, sollten Grundstückseigentümer mit dem zuständigen Bauamt oder einem Fachanwalt sprechen.

Ausnahmen von Abstandsflächen

In einigen Fällen gibt es Ausnahmen von all den genannten Regelungen für Abstandsflächen:

  • Bestandsschutz: Gebäude, die zum Zeitpunkt der Erbauung dem damals gültigen Recht entsprachen, stehen möglicherweise unter Bestandsschutz und müssen deswegen auch keine eigenen Abstandsregeln einhalten.
  • Festgelegte Baulinien und geschlossene Bebauung: In Innenstädten gibt es zum Teil festgelegte Baulinien, an die sich Bauherren halten müssen. Zum Teil wird auch die geschlossene Bebauung festgelegt. Dann gelten ganze Häuserblöcke als ein Bauwerk und benötigen keine Abstandsflächen. Gleiches gilt bei Doppelhäusern und Reihenhäusern.
  • Duldungspflicht: Wurden beim Hausbau die Abstandsflächen oder gar Grenzlinien verletzt, ohne dass der Bauherr grob Fahrlässigkeit oder absichtlich gehandelt hat, muss der Nachbar dies möglicherweise dulden. Allerdings steht ihm dann eine finanzielle Entschädigung zu.

FAQ